Färber -Mädchenauge

1. Botanisches Porträt

Wissenschaftlicher Name: Coreopsis tinctoria

Familie: Asteraceae (Korbblütler)

Deutsche Namen: Färbermädchenauge, Schöngesicht, Zweifarbiges Mädchenauge

Englische Namen: Plains coreopsis, garden tickseed, golden tickseed, dyer’s coreopsis

Beschreibung: Das Färbermädchenauge ist eine einjährige krautige Pflanze von 30 bis 100 Zentimetern Höhe mit kahlen, fiederteiligen Blättern. Die charakteristischen Blütenköpfe zeigen leuchtend gelbe Zungenblüten mit dunkelroten bis kastanienbraunen Zentren. Der griechische Name „koris opsis“ (käferartig) bezieht sich auf die zeckenähnlichen Samen. Die Blütezeit erstreckt sich vom Frühsommer bis zum ersten Frost.

Standort & Verbreitung: Die Art stammt aus den nordamerikanischen Great Plains und ist von Kanada bis Nordostmexiko verbreitet. Sie bevorzugt leichte, sandige Böden und zeigt bemerkenswerte Toleranz gegenüber Trockenheit und nährstoffarmen Standorten. Als einjährige, frostempfindliche Pflanze lässt sie sich leicht aus Samen kultivieren und hat sich in vielen Teilen Europas und Asiens etabliert.

Ökologie: Als einjährige Sommerpflanze vermehrt sich die Art ausschließlich durch Samen. Sie ist ein wertvoller Nektarspender für bestäubende Insekten und erweist sich im Garten als pflegeleichte Sommerblume mit Selbstaussaat. Für die Kultivierung als Färberpflanze ist sie besonders interessant durch hohe Farbstoffkonzentrationen und mehrfache Erntbarkeit.

2. Färbeeigenschaften

Färbende Pflanzenteile: Primär die Blütenköpfe, insbesondere die Blütenblätter (Zungenblüten), die die höchste Konzentration an Farbstoffen aufweisen.

Färbende Inhaltsstoffe: Das Färbermädchenauge zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Vielfalt an Farbstoffen aus. Über 60 bioaktive Verbindungen wurden identifiziert, darunter die Flavonoide Luteolin, Morin, Kaempferol und Quercetin. Besonders bedeutsam sind acht verschiedene Aurone sowie diverse Chalcone, die hauptverantwortlich für die intensive gelb-orange Pigmentierung sind. Die Farbstoffe können direkt durch wässrige Extraktion ohne komplexe Umwandlungsprozesse gewonnen werden.

Farbwirkung: Die Primärfarbe ist ein warmes Kürbis-Orange, das je nach Konzentration von hellem Goldgelb bis tiefem Rotorangen variiert. Auf gebeizten Wollfasern entwickelt sich bei 15-20 Prozent Materialgewicht eine satte Orangefärbung, Seide zeigt charakteristischen Glanz. Auf Baumwolle entstehen zartere cremeorangen Töne. Die Farbstoffausbeute ist außergewöhnlich hoch – Restbäder können für hellere Nuancen weiterverwendet werden.

Verarbeitung: Die Farbstoffgewinnung erfolgt durch wässrige Extraktion der Blütenköpfe bei 80-90 Grad Celsius über etwa eine Stunde, idealerweise bei pH 6-8. Eine Besonderheit ist die bemerkenswerte Alkalibeständigkeit gegen handelsübliche Waschmittel, während starke Säuren ein Verblassen zu Gelb verursachen. Für optimale Ergebnisse wird Alaunbeize empfohlen, die zu brillanten, licht- und waschbeständigen Resultaten führt.

3. Historische Bedeutung und Verwendung

Traditionelle Nutzung: Die Verwendung als Färberpflanze lässt sich bis zu nordamerikanischen Ureinwohnern zurückverfolgen, die die Blütenköpfe zur Textilveredelung und zeremoniellen Körperbemalung nutzten. Ethnobotanische Studien dokumentieren systematisches Sammeln und Trocknen durch verschiedene Indianerstämme der Great Plains. Parallel wurde die Pflanze in der traditionellen Medizin gegen Magenverstimmungen eingesetzt.

Dokumentierte Anwendungen: Die wissenschaftliche Erstbeschreibung erfolgte 1834 durch Thomas Nuttall. Zunächst gelangte die Pflanze als Zierpflanze nach Europa; ihr Färbepotential wurde erst im 20. Jahrhundert systematisch untersucht. Wegweisend waren Shimokoriyamas Arbeiten in den 1950er Jahren, der die Aurone und Chalcone als Hauptpigmente identifizierte. In China wird sie seit Jahrhunderten in Xinjiang als Färbe- und Heilpflanze kultiviert.

Kulturelle Bedeutung: Während das Färbermädchenauge in Europa keine vergleichbare kulturhistorische Tradition wie Waid oder Krapp besitzt, erlebt es in der modernen nachhaltigen Textilfärbung eine bemerkenswerte Renaissance. In der zeitgenössischen Naturfarben-Szene wird es für Zuverlässigkeit, Farbbrillanz und ökologische Unbedenklichkeit geschätzt. In Frankreich wird es heute kommerziell nach GOTS-Standards angebaut und symbolisiert den erfolgreichen Transfer traditioneller Färbetechniken in moderne, nachhaltige Produktionsverfahren.

4. Eigene Verwendung und Erfahrung

Ich habe das Mädchenauge schon für alle Techniken verwendet. Im Solarglas habe ich ein leuchtendes Orange erhalten, leider nicht so haltbar wie gedacht. Bessere Ergebnisse erziele ich mit vorgebeizten Stoffen. Mit der Bundle Dye Technik erhält man schöne Abdrücke in orange, im Farbbad tendieren die Farbtöne Richtung braun.